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„Totgeschwiegen" - Körperliche Gewalt an Menschen mit Behinderung: Ein blinder Fleck in unserem System

  • Autorenbild: Stephanie Biscan
    Stephanie Biscan
  • 15. März
  • 4 Min. Lesezeit

 



 

Weltweit wird etwa jeder dritte Mensch mit Behinderung im Laufe seines Lebens Opfer von körperlicher und psychischer Gewalt.


Menschen mit Behinderung sind 30-45 % häufiger von Gewalt betroffen, als Menschen ohne Behinderung. (1)


Dennoch reden wir kaum über diese Zahlen - über diese Menschen. 

Wir schweigen es, Tod - wortwörtlich.


Menschen mit Behinderung sind in unserer Gesellschaft im Allgemeinen unterrepräsentiert, Themen wie (körperlicher) Gewalt und viele andere sensible Themen bleiben oft unter den Teppich gekehrt oder aus Entsetzen verdrängt. Aber die Wahrheit ist, es gibt sie: Die Gewalt, die Diskriminierung …  und Menschen mit Behinderung sind faktisch einer erhöhten Vulnerabilität in verschiedenen sozialen und institutionellen Kontexten ausgesetzt.


Und wie so bei vielem müssen wir aufhören zu schweigen,

denn manchmal ist Schweigen doch nur Silber und das Reden pures Gold. 


(1)

  • Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) über Gewaltschutzstrukturen (2021)

 

Wir haben das Jahr 2025 und können mit gutem Gewissen sagen, dass sich in den letzten Jahrzehnten einiges zum Thema „Behinderung” getan hat.

Es gibt die UN-Behindertenrechtskonvention, eine verbreitete Sensibilisierung für Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit. Trotzdem gibt es weiterhin viele soziale und strukturelle Begebenheiten, die körperliche und psychische Gewalt an Menschen mit Behinderung begünstigen.


Beispielsweise der Ableismus, also die gezielte oder auch unbewusste Diskriminierung und Abwertung von Menschen mit Behinderung, die zwangsläufig zur Entmenschlichung führt.


Diese Entmenschlichung hat nicht nur psychologische Folgen, sondern kann auch zur physischen Gewalt führen, wenn ein Mensch als „weniger Wert” betrachtet wird. Zusätzlich können scheinbar schützende institutionelle Strukturen, wie Pflegeeinrichtungen und Werkstätten, ein Ort der Gewalt werden und das nicht nur durch die Gewalt selbst, sondern durch die Bedingungen, die die Entstehung von Gewalt begünstigen. Wie die Überlastung des Personals, wo Gewalttaten oft unbemerkt bleiben oder das Machtverhältnis zwischen dem Pfleger und der zu pflegenden Person. Genauso wie fehlende Präventionsprogramme, Anlaufstellen und Aufklärungsarbeit.

Auch gesellschaftlich muss sich noch viel tun. Wir haben zwar die UN-Behindertenrechtskonvention, die mehrere Bestimmungen zum Schutz vor Gewalt von Menschen mit Behinderung beinhaltet:


  • Artikel 15: Freiheit von Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe

  • Artikel 16: Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch

  • Artikel 17: Schutz der Unversehrtheit der Person (2)


Aber auch hier gibt es in der eigentlichen Umsetzung Lücken: Fehlende Schulungen für die Behörden und das Fachpersonal, das den sensiblen Umgang fördern soll und wie so oft die mangelnde Barrierefreiheit von Beratungsstellen.



(2)

  • UN-Behindertenrechtskonvention

 

Was sagen die Daten und Fakten ?

Eine Studie vom Instituts für empirische Soziologie (2024) hat das Thema Gewalt und Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe untersucht und befragten 1.000 Frauen und Männer mit Behinderung im Alter von 16 - 65 Jahren in stationären und ambulanten Betreuungssettings dabei kam es zu folgenden Erkenntnissen: (3)


Die Befragten, die ambulant betreut werden, waren stärker von körperlicher Gewalt und sexuellem Missbrauch in der Kindheit und Jugend betroffen als die Studienteilnehmer, die stationär betreut werden.  




Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)
Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)


Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)
Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)

 


Im erwachsenen Alter geben, die stationär betreuten und die ambulanten betreuten Studienteilnehmer an, stärker von psychischer Gewalt betroffen zu sein, wobei die anderen Formen der Gewalt im erwachsenen Alter in beiden Gruppen stark angestiegen sind. 




Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)
Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)


Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)
Quelle: Eigene Darstellung der Quelle (3)

Wenn es um die Täterschaft bei körperlicher Gewalt geht, haben die befragten Männer (stationär und ambulant), fremde Personen im öffentlichen Raum angegeben, dicht gefolgt von Täter/innen, die aus dem Arbeits- oder Ausbildungsumfeld stammen. Dabei handelt es sich meistens um männliche Täter.

Betroffene Frauen geben häufiger Familienmitglieder, aber auch Personen aus der Einrichtung und aus dem Arbeitsumfeld an, auch hier ist die Sprache von mehrheitlich männlichen Tätern.


Bei sexueller Belästigung (4) geben die Frauen fast ausschließlich männliche Täter an, während bei betroffenen Männern das Geschlechterverhältnis gemischt ist. 

Weitergehend wurden die Studienteilnehmer gefragt, wie sie auf körperliche, sexuelle und psychische Gewalt reagieren. Dabei zeigte sich bei stationären und ambulanten Betreuten, dass auf psychische Gewalt häufiger Reaktionen folgen, wie:  

  • verbale Gegenwehr, 

  • körperliche Gegenwehr, 

  • Hilfe durch Dritte, 

  • Trauer/Verletzung zeigen 


 als bei sexueller Gewalt, wo oft geschwiegen wird. 


Generell ist zu beobachten, dass die Betroffenen oft keine Unterstützung anfordern und dass der Zugang zu externen Beratungsstellen für beide Geschlechter kaum gegeben ist. 




(3)

  • Studie "Gewalt und Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe” - Instituts für empirische Soziologie (2024)

(4)


 

Diese Zahlen sind mehr als schockierend. 

Sie weisen die Dringlichkeit zum Handeln auf, die Notwendigkeit, Schutzmaßnahmen zu entwickeln und barrierefreie Anlaufstellen mit geschultem Personal zu kreieren.

Doch auch unser eigenes Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen und Präventionsmaßnahmen zu schaffen, die Betroffenen ermutigen, sich die Hilfe zu holen, die sie brauchen.  Nur so kann ein sicherer und behüteter Rahmen entstehen, der gegen Gewalt, gegen Menschen mit Behinderung nachhaltig ankämpft. 




Du bist selbst von Gewalt betroffen?


Hier findest du Anlaufstellen:



 



 
 
 

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